Facebook ist nicht unersetzlich

In den letzten Tagen wurde viel über diverse „Shitstorms“ auf den Facebook-Seiten bekannter Marken berichtet und diskutiert. Auch ich fand diese heftigen Diskussionen jeweils zu einem einzelnen Posting – nun seltsam, könnte über die Ursache aber ebenfalls nur spekulieren. Persönlich halte ich, nach Überfliegen einiger weniger der Kommentare in den diversen Threads, die Manipulationshypothese für eher unwahrscheinlich. Ich habe da auch eher den Edge-Rank von Facebook als Übeltäter in Verdacht, auch auf unserer Facebook-Seite haben wir beispielsweise bemerkt, dass einige besonders lange Nutzer-Posts viel Interaktion nach sich gezogen haben.

Ein Kollege hat mich in dem Zusammenhang aber auf eine andere Meldung aufmerksam gemacht, die auf den ersten Blick vielleicht nicht zu den beschriebenen Fällen passt: Laut dem Forum von mobil-talk.de hat Simyo auf seiner Facebook-Seite den Kunden-Service „eingestellt“ (eingeschränkt trifft es vermutlich besser). Im Ergebnis sehe ich da aber durchaus Zusammenhänge.

Zunächst einmal fand ich die News, klar, interessant. Das Abschalten der Möglichkeit für Seitenbesucher, eigene Beiträge an die Pinnwand/Chronik zu posten ist ein gravierender Schritt, aber keine Katastrophe. Unglücklich ist sicher, eine solche Änderung auf der Facebook-Seite nicht aktiv zu kommunizieren, siehe die Diskussion auf mobil-talk.de. Dennoch glaube ich, dass die (vorübergehende?) Schließung bzw. Einschränkung des Dialog-Kanals Facebook keine gravierenden negativen Auswirkungen auf Online-Reputation und / oder Marken-Image von simyo haben wird.

Warum? Weil der Shitstorm einfach ausbleiben wird. Kunden, die heute schon auf anderen Plattformen wie Foren oder Bewertungsportalen aktiv sind, werden dort weiterhin posten. Die durchschnittlichen Facebook-Nutzer – „Otto-Normal-User“ machen sich aber vermutlich gar nicht die Mühe, einen neuen Kanal zu suchen. Der Charme von Facebook liegt ja, was den „Dialog“ mit Unternehmen angeht, gerade darin, dass die Kontaktaufnahme und Meinungsäußerung mit wenig Aufwand verbunden ist – von einfachen „Like“ über den kurzen bestätigenden oder ablehnenden Kommentar bis hin zur ausführlichen eigenen Stellungnahme. Das ist der „Vorteil“ des Web 2.0 gegenüber dem „alten“ Mitmach-Web – die Themen kommen zu mir, ich muss sie nicht erst aktiv, zum Beispiel in einem Forum, suchen.

Ich habe das Simyo-Beispiel dann noch einmal weiter gedacht: Was wäre, wenn eine größere Marke denn ihre komplette Facebook-Seite löscht? Welche Auswirkung auf Image bzw. Reputation wird das haben? Auf der Negativseite – und aus diesem Grund würde ich das auch kaum empfehlen – steht für mich primär der Verlust eines komfortablen PR- / (eingeschränkt) Marketing- und vor allem Krisenreaktionskanals. Aber würde deswegen ein Shitstorm ausbrechen? Wohl eher nicht, wenn nicht eine andere Krise begleitend hinzukäme.

Da finde ich das Simyo-Beispiel passend: Das Thema „Facebook-Support“ wird in einem sicherlich nicht ganz kleinen – 180.000 Mitglieder – aber sehr speziellen Forum diskutiert. Außerhalb dieser Plattform kriegt es aber kaum einer mit, auch ich bin erst durch den Kollegenhinweis drauf aufmerksam geworden.

Hier schließt sich für mich der Kreis zu den anfangs erwähnten Fällen: Es gibt – auf anderen Social Networks, Blogs und in der interessierten Fachpresse eine Metadiskussion, aber es gibt kein „großes“ Problem, keine darunter liegende Krise, über die es sich zu berichten lohnen würde. Damit fehlt der Anlass, das Thema breit auch in den klassischen Medien aufzugreifen – und die von einem „Shitstorm“ ausgehende Gefahr sinkt deutlich.

In allen genannten Beispielen würde ich sogar noch weiter gehen: Meiner Meinung nach kann man in keinem der Fälle tatsächlich von einem Shitstorm sprechen, denn die eigentliche Diskussion über / die Angriffe auf die Unternehmen waren nicht nur auf eine Plattform beschränkt (Facebook) sondern sogar auf jeweils ein einzelnes Posting.

Für die verantwortlichen Community Manager ist damit die größte Herausforderung weniger die Reaktion auf kritische Äußerungen als die Beruhigung der eigenen Organisation und des Managements – keep cool, in einer Woche wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben.

Facebook dagegen sollte sich mehr Gedanken machen. Ich stimme Christian Henne zu, dass betroffene Firmen sich sicherlich zweimal überlegen werden, ob sie während einer solchen vermeintlichen oder tatsächlichen Krisensituation Anzeigen auf der Plattform schalten. Und gleichzeitig wird jedes Unternehmen noch stärker den klar vorhandenen Nutzen der eigenen Brandpage auf  Facebook dem damit verbundenen Aufwand und möglichen Schaden gegenüber stellen. Facebook ist nicht unersetzlich.